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Pflegekindschaftsverhältnis: Kindergeld für volljähriges Pflegekind

Wer ein Pflegekind aufnimmt, stellt sich einer bedeutenden Aufgabe. Das Kind wird in den eigenen Haushalt aufgenommen und es wird eine familiäre Beziehung hergestellt. Auch finanzrechtlich gibt es gewisse Parallelen. So kann man für ein Pflegekind ebenso Kindergeld erhalten wie für ein leibliches Kind. Im Streitfall stellte sich die Frage, ob ein Pflegekindschaftsverhältnis auch gegenüber einem volljährigen behinderten Bruder bestehen kann. Darüber zu entscheiden hatte das Finanzgericht des Saarlandes (FG).

Die Klägerin ist die Schwester von A, der von Geburt an schwerbehindert war. A verstarb im Jahr 2018. Er hatte Eingliederungshilfe sowie eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Höhe von 742,05 EUR monatlich bezogen. Bis zum Tod der Mutter im Jahr 2017 wurde A von dieser betreut. Sie bezog dafür Kindergeld. Seit einer Erkrankung der Mutter im Jahr 2004 kümmerte sich zunehmend auch die Klägerin um A. Nach dem Tod der Mutter wurde sie gesetzliche Betreuerin. Zwar lebte A in einer Wohneinrichtung, jedoch war die Klägerin für sein materielles Wohl (z.B. Einkäufe und Arztbesuche) zuständig. Der Antrag der Klägerin auf Kindergeld für A wurde abgelehnt.

Ihre Klage vor dem FG war allerdings erfolgreich. Ein Anspruch auf Kindergeld besteht für ein Pflegekind, mit dem der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist. Ein "familienähnliches Band" setzt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs voraus, dass zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Kind ein Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis wie zwischen Eltern und leiblichen Kindern besteht. Ein "familienähnliches Band" mit einem bereits Volljährigen lässt sich hiernach nur bei Vorliegen besonderer Umstände begründen. Ein solches sei unter Gesamtwürdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nur anzunehmen, wenn die Behinderung so schwer sei, dass der geistige Zustand des Behinderten dem typischen Entwicklungsstand einer noch minderjährigen Person entspreche. Dies war bei A der Fall.

Auch die weiteren notwendigen Voraussetzungen waren im Streitfall gegeben, insbesondere war A in den Haushalt der Klägerin aufgenommen, und zwar nicht zu Erwerbszwecken. Der Mittelpunkt der gemeinsamen Lebensinteressen lag im Haushalt der Klägerin, da die Aufenthalte des A dort regelmäßig waren und über bloße Besuche hinausgingen.

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zum Thema: Einkommensteuer

(aus: Ausgabe 10/2021)

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